· 

Vienna Calling!

Es ist schon dunkel und kalt, als wir nördlich von Wien aus dem Zug aussteigen. Eine Frau mit einem großen Jeep holt uns ab und begrüßt uns freundlich - es ist unsere Gastmutter Isabell. Nach einer kurzen Fahrt kommen wir auf dem Hof an. Es gibt direkt ein großes Holzbrett voll mit Speckspezialitäten vom Mangalitza-Schwein. Für uns ein-Mal-im-Monat-Fleischesser etwas Besonderes. Am ersten Abend passiert nicht mehr viel - ein kurzes Gespräch mit unseren Gasteltern, die 4 Kinder haben uns kurz begrüßt, dann gehen wir auch schon schlafen. Richtig angekommen sind wir noch nicht, aber dafür gespannt auf den ersten Arbeitstag.

Wir lernen den Hof Schritt für Schritt kennen. Jeden Tag stehen andere abwechslungsreiche Aufgaben an. An den ersten Tagen gab es viel im Gemüsegarten zu tun. Gerade ist Erntezeit und wir sind überwältigt von der Vielzahl der Tomaten-, Wein- und Obstsorten. Isabell und Christoph sind Selbstversorger - sie ernähren sich von ihren Wollschweinen, etwas Geflügel und aus dem Garten. Kohlenhydrate isst die Familie kaum. Die Familie ist aber nicht dogmatisch: regelmäßige Flüge in die ganze Welt sind normal, da das Paar Workshops zum Schlachten und Zerlegen gibt und dadurch sowie durch den Verkauf lebender Schweine seine Kosten deckt.

Die Schweine leben im Wald und auf der Weide. Sie sind sehr groß und brauchen den Auslauf. Zugefüttert werden Kartoffeln aus der Region und Getreide vom eigenen Bio-Betrieb. Uns erstaunt es, wie zutraulich und freundlich die Tiere sind. Sie haben mehrere riesige Suhlen, in denen sie sich gern wälzen. Unsere erste Schlachtung (auf der Weide, nicht im Schlachthof, um die Tiere nicht zu stressen) steht uns noch bevor. Wir sind sehr gespannt, wie es für uns sein wird. Immerhin haben wir das noch nie gemacht. Aber wir essen Fleisch und somit gehört es für uns dazu, so etwas auch mal zu machen.

Unseren ersten freien Tag haben wir in Wien verbracht. Bei herbstlich kühlem Wetter erkundeten wir die wunderschöne Altstadt und ein etwas alternativeres, junges Viertel. Wir haben viel und gut gegessen und dem Dialekt gelauscht. Abends hat uns unsere Gastfamilie zu einem Heurigen eingeladen. Wir haben tagelang versucht zu verstehen, was das eigentlich ist. Ich versuche es mal zu erklären: eine Art Erntefest der Winzer. Es wird Wein und Sturm (ähnlich dem Federweißer) verkostet, regionale Spezialitäten gegessen und geklönt. Es war leider ziemlich kalt, dennoch haben wir den Abend und den Ausblick vom Weinberg auf Wien genossen.

Am verregneten Sonntag stand noch die Verarbeitung der Ernte an. Zucchini, Paprika und Zwiebeln werden mit einer Küchenmaschine aus den 50er Jahren (von Mutti noch) zerhackt und zusammen sauer eingelegt. Die Tomaten werden zu einem würzigen Tomatenmark fermentiert und Pfirsiche zu Met vergoren.

Ach, und das Essen gestaltet sich jeden Tag spannend: von gebratenen Innereien mit Ofengemüse zu Schweinebauch und Bratwürsten mit einer Rote-Bete-Weißkraut-Pfanne waren viele neue Sachen dabei. Zwischendurch nascht man immer mal wieder eine eingelegte milde Pfefferoni oder einige Löffel Langmilch, eine Art fädenziehender Joghurt mit Buttermilchgeschmack und natürlich Mangalitzaspeck. Alles sehr lecker, faszinierend und komplett anders, als wir es bisher in unserem Alltag gewohnt waren.

Wir sind gespannt, was die zweite Woche bringt.