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Endlich: La Dolce Vita in Ligurien

Nach der Pleite der vergangenen Woche mussten wir uns zwei Tage Auszeit in Follonica nehmen, um in Ruhe nach einem neuen Platz für uns zu suchen und das Erlebte zu verdauen. Als wir schließlich eine vielversprechende Anzeige finden, sind wir sehr aufgeregt und unsicher, ob wir wirklich sofort hinfahren sollen. Das Profil der Familie und ihre nette Antwort machen uns dann aber doch Mut. Der neue Hof liegt in Ligurien in Norditalien. Wir werden also etwas Wärme einbüßen, aber wir haben auch neuen Tatendrang und Lernwillen. Also machen wir uns per Zug auf den Weg und verlassen die Toskana.

Eine nette Frau in den Fünfzigern holt uns vom Bahnhof ab. Es ist Jutta, gebürtige Österreicherin und gute Seele des Agriturismo "Il Pellegrino". Auf der Fahrt fällt uns sofort ein Stein vom Herzen. Jutta ist warmherzig, aufgeschlossen und begegnet uns ohne Vorurteile. Als wir unser Zimmer beziehen, fühlen wir uns direkt wohl. Das Haus ist sehr liebevoll eingerichtet und die Lage in den Bergen traumhaft. Nach und nach lernen wir alle Familienmitglieder kennen. Marco, Juttas Mann, ist Italiener und die beiden waren Buchverkäufer, bis sie vor 13 Jahren gemeinsam ausgestiegen sind. Zu unserer Freude gibt es noch viele Bücherregale im Wohnzimmer, die jeder nutzen darf und in denen wir oft stöbern. Juttas Sohn lebt zurzeit ebenfalls hier, da er für seine Abschlussprüfungen im Studium lernt. Seine Freundin kommt aus Brasilien, hat hier auch Workaway gemacht und ist geblieben. Der Letzte im Bunde ist Andrea, früherer Nachbar und jetzt Mitbewohner und Helfer der Familie. Alle sind sehr freundlich zu uns und wir fühlen uns als Teil der Gemeinschaft. Am zweiten Abend nehmen uns die jungen Leute gleich mit in eine Bar und wir lernen uns besser kennen.

Ein Agriturismo ist in Italien ein Landwirtschaftsbetrieb, der zusätzlich Zimmer vermietet. Am Wochenende waren auch Gäste da, aber die Hauptsaison ist im Sommer. Der Betrieb umfasst 12 Hektar, von denen 9 Waldfläche sind. Die restliche Fläche ist unterteilt in Weideland für Schafe, Hühner, zwei Schweine, Enten und Hasen. Außerdem gibt es Heuflächen und einen Gemüsegarten. Als zusätzliches Einkommensmodell bietet die Familie geführte Wanderungen mit ihren 4 Eseln Ercole, Greta, Dea und Hope an. Alle Tiere leben ganzjährig draußen und werden von speziellen Hütehunden bewacht, die mit den Tieren zusammenleben.

Da die Familie das gesamte Haus und das Wasser mit Holz heizt, steht in den ersten Tagen hauptsächlich Holz spalten und stapeln an. Eigentlich eine recht eintönige Arbeit, aber hier arbeiten alle in Ruhe, mit Bedacht und Spaß. Durch die Gesellschaft entsteht eine tolle Atmosphäre und die Zeit vergeht wie im Flug. Unsere Arbeit wird wertgeschätzt und das gute Essen (das immer zu mindestens 80% aus der eigenen Produktion kommt) ist eine wirkliche Belohnung. Interessant fanden wir, dass die Familie durch die Verwendung von Holz mindestens zwei Drittel der Heizkosten spart.

Ansonsten haben wir bisher ausgemistet, Beerenobst geerntet und viele tolle Gespräche über Selbstversorgung geführt. Wir lernen hier unglaublich viel und das motiviert unheimlich. Außerdem fällt uns auf, dass wir viel produktiver arbeiten als unter Zeitdruck, wie auf der Farm vorher. Es ist stressfreier für alle und auch weniger gefährlich, wenn man konzentrierter arbeitet. So geht es also auch...