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Extra Vergine

Jutta erhält Mitte der Woche einen Hilferuf von einem befreundeten Farmer. Er sucht Unterstützung für die Olivenernte und fragt uns, ob wir für 4 Tage aushelfen können. Zuerst fühlen wir uns natürlich an unsere schlechte Erfahrung in Le Marche erinnert. Da die Arbeit an sich jedoch nicht schlimm für uns war und wir dem Ganzen noch eine Chance geben wollen, willigen wir ein. Jutta und ihre Schwiegertochter kommen mit uns und so sind wir sicher, diesmal gute Gesellschaft zu haben. Nach einer kurvenreichen Autofahrt erreichen wir unser Ziel, ein Doppelhaus auf einem Berg mit einem atemberaubenden Blick auf die ligurische Küste. Giovanni und Valentina, die Betreiber des Projekts, haben hier etwas Land und wollen eine Gemeinschaft mit Pflegekindern aufbauen. Zusätzlich haben sie einen Hektar Olivenhain gepachtet.

Jeden Morgen stehen wir auf und genießen erstmal die wunderschöne Aussicht. Am Horizont kann man die französischen Alpen sehen. Die Gegend ist atemberaubend und auch mit dem Wetter haben wir nach der vorigen Woche Glück. Direkt am ersten Tag stellen wir fest, dass Giovanni und die anderen Helfer eine ganz andere Mentalität haben, als wir es bei der vorherigen Olivenernte erleben mussten. Es geht entspannt und freundlich zu, wir haben viel Spaß und lernen sogar etwas italienisch. Die Arbeit ist sehr aufwändig und wenn man einmal die Olivenernte mitgemacht hat, ist man gerne bereit, für ein hochwertiges Öl auch einen entsprechenden Preis zu zahlen. Es ist wirklich nicht einfach, auf Masse zu ernten und dabei die Qualität nicht zu beeinflussen. An einem Abend dürfen wir mit in die Presse fahren und zusehen, wie das Olivenöl hergestellt wird. Das ist sehr interessant und wir dürfen "unser" Olivenöl gleich mit nach Hause nehmen und verkosten. Ein tolles Gefühl!

Leider hören wir auch hier wieder traurige Geschichten über Billigprodukte. Die Bezeichnung "Olivenöl" alleine in der Zutatenliste bedeutet, dass durch Hitze oder sogar Chemikalien das Maximum aus den Oliven geholt, dann raffiniert und für den Geschmack mit einem geringen Anteil echten, kaltgepressten Olivenöls gemischt wurde. Auch der Zusatz "nativ extra" ist keine verlässliche Qualitätsgarantie, da eine schonende Pressung bei minderwertigen Oliven keinen Unterschied mehr macht. Außerdem wird von falschen Herkunftsangaben und sogar dem Strecken mit billigem Sonnenblumenöl berichtet. Wer also im Supermarkt günstiges Olivenöl vor sich hat, sollte skeptisch sein. Wir wissen jetzt jedenfalls genau, dass in jeder einzigen Flasche gut vier Kilo Oliven stecken (und das sind viele). Dazu kommen noch die Kosten für die Presse, Abfüllung und Transport. Da ist es uns rätselhaft, wie das Öl unter 12€/l verkauft werden kann. Auch Jutta ist überrascht, wie aufwändig die Olivenernte ist und sagt uns, dass sie in Zukunft noch bewusster Olivenöl konsumieren wird und es nun viel mehr zu schätzen weiß. Genauso geht es uns auch.

Nach zwei Tagen findet jeder seine Stärken im Olivenhain heraus. Arno kann seiner Lieblingsbeschäftigung, dem klettern und per Hand pflücken, nachgehen. Laura nutzt den langen Rechen, um die Olivenäste zu "kämmen" oder pflückt die niedrigen Äste per Hand. Die Früchte fallen auf ein Netz, werden anschließend zusammengeschüttelt und von Zweigen befreit. Je nach Pflegezustand haben die Bäume größere oder kleinere, mehr oder weniger Oliven. Sie sollten im Winter regelmäßig geschnitten werden, um die Ernte zu erleichtern. Ansonsten werden sie bis zu 15m hoch. Sie sind sehr schön anzuschauen und die Blätter glänzen silbergrün in der Sonne. Ein guter Baum trägt etwa 100kg Oliven. Außerdem können die Bäume sehr alt werden. Die perfekte Olive hat eine mittlere Reife und ist zu einem Drittel grün, zu zwei Dritteln dunkelrot.

Geerntet werden aber immer alle Früchte, egal ob grün oder schon schwarz. Denn meist sind die oberen Äste schon weiter im Reifezustand als die unteren.

Wir sind sehr dankbar für die Erfahrung und es hat uns sehr viel Spaß gemacht.

Die letzten Tage bis zur Abreise haben wir frei. Wir werden die Zeit zum Schnitzen und spazieren nutzen, auf jeden Fall wollen wir auch noch eine Küstenstadt besuchen und uns Parma ansehen. Wir finden es schade, dass wir bald gehen. Aber wir sind uns sicher, dass wir nicht das letzte Mal hier gewesen sind.