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Der letzte Neuanfang

Hornudden ist ein kleines Paradies in der Nähe von Stockholm. Die kleine Landzunge hat mehr Stege als Häuser und der See, in den sie hineinragt, ist einer der größten in Schweden. Hier ist Karin Sjöstedt aufgewachsen. Zusammen mit ihrem Mann Mats hat sie hier 4 Kinder großgezogen und vor 30 Jahren mit Ökolandbau angefangen. Landwirtschaft wurde auf dem Anwesen schon immer betrieben, aber weil sie für die Kinder gutes Essen und keine Pestizide wollte, hat sie den Betrieb auf bio umgestellt. Mittlerweile umfasst der Hof 11 ha Wald, 10 ha Felder, einige Gewächshäuser, ein Bio-Café und eine Solidarische Landwirtschaft. Hier werden hauptsächlich verschiedene Tomatensorten und Kräuter produziert, die auf Märkten verkauft oder an Restaurants, aber auch wenige Supermärkte geliefert werden.

Die Solidarische Landwirtschaft wird nur im Sommer betrieben, dann gibt es jede Woche Abokisten mit Gemüse für Konsumenten in der näheren Umgebung. In dieser Zeit hat auch das Café an 5 Tagen pro Woche geöffnet. Es gibt Kuchen, Buffets für Caterings oder Hochzeiten und Mittagessen. Der älteste Sohn möchte auf einem Rest ungenutzter Fläche 400 Apfelbäume pflanzen und eine Mosterei aufbauen, da ein Großteil der Infrastruktur schon vorhanden ist. Im Sommer wird das Einkommen für das ganze Jahr gemacht und bis auf einen Kredit, den es noch abzuarbeiten gilt, ist der Hof finanziell unabhängig. Es gibt einige Festangestellte in der Küche und im Sommer viele Aushilfskräfte, außerdem fast das ganze Jahr zwischen 4 und 10 Freiwillige. Für uns ist das erstmal eine Umstellung. Es gibt große Gewächshäuser mit Bewässerungsanlagen, einige Maschinen und Kühlhäuser. Nichts mit Selbstversorgung im kleinen Maßstab. Aber dafür lernen wir, wie man von bio wirklich leben kann und was das für die Landwirte bedeutet.

Die Arbeit hier ist extrem vielfältig. Kein Tag ist gleich und Mats und Karin achten genau darauf, dass man viel Abwechslung hat. Wir haben in den letzten zwei Wochen 1000 Tomatenpflanzen von der Kinderstube in ihr ganz eigenes großes Gewächshaus umgepflanzt. Vorher mussten die Beete aber erstmal mit Mist und Dünger aufbereitet werden. Hier ist es dieses Jahr ungewöhnlich heiß und den ganzen Mai über ist kein einziger Regentropfen gefallen. So waren die ersten Arbeitstage ein kleiner Schock. Wir waren noch das kalte Schottland gewöhnt und plötzlich stehen wir bei 30°C im noch heißeren Gewächshaus und schaufeln stundenlang Erde. Aber dafür kann man direkt nach der Arbeit in den See springen.

Als dieser Gewaltakt vorbei war, wurde die Arbeit glücklicherweise entspannter. Wir haben verschiedene Kräuter gesät, viel gewässert, und Salat und Brokkoli für das Café geerntet. Auf eins der Felder haben wir Zwiebeln, Lauch, Schwarz-, Grün- und Blumenkohl sowie Brokkoli gepflanzt. Die Freiwilligen sind hier wieder einmal diejenigen, die das Tagesgeschäft unbezahlt am Laufen halten. Ohne sie wäre die Arbeit nicht ansatzweise zu schaffen, aber eine Bezahlung für all die Leute ist auch utopisch. Deshalb sind wir diesmal weniger verärgert über die Gastgeber, die selbst 12 Stunden täglich arbeiten und die Arbeit gut koordinieren, sondern über die Regelungen, die es kleinen Betrieben so schwer machen und die allgemeine Preispolitik, der sich jeder unterwerfen muss. Karin und Mats können das Ganze nur am Laufen halten, weil sie selbst so viel Herzblut in das Projekt stecken und genau wissen, was sie wollen.

An den freien Tagen haben wir eine Kanutour über den See gemacht und sind nach Stockholm gefahren. Letzteres war sehr sehenswert, aber die Kanutour haben wir besonders genossen. Auf dem See gibt es viele unbewohnte Inseln, die ein magisches Flair haben. Eine davon wird aus Klippen geformt, die steil aus dem See herausragen.
Der Ort ist wirklich traumhaft und wir unterstützen das kleine Unternehmen aus vollem Herzen. Aufgrund des ständigen Zeitdrucks sind wir bisher wenig mit unseren Gastgebern ins Gespräch gekommen. Mit den anderen Freiwilligen verstehen wir uns aber gut und die Arbeit macht Spaß. Nach den ersten zwei Wochen als unbezahlte Freiwillige stehen nun Verhandlungen über eine mögliche Bezahlung an. Jetzt kennen Mats und Karin ja unsere Arbeitseinstellung und wir finden uns auf dem Hof zurecht. Das hatten wir im Voraus so abgemacht. Wir würden uns sehr freuen, nebenbei noch etwas Taschengeld zu verdienen. Wir würden dafür gerne mehr Verantwortung übernehmen, die Entlohnung darf aber auch nicht den anderen unbezahlten Freiwilligen gegenüber unfair sein. Wir sind also gerade sehr gespannt, wie die Entlohnung ausfällt und wie sich unsere Arbeitsbedingungen damit ändern. Aus persönlichen Gründen wird Laura aber sowieso nur noch zwei Wochen hierbleiben und dann die Reise beenden. Arno überlegt noch, wie lange er hier bleibt.
Wir genießen die Zeit zusammen sehr und gehen fast jeden Tag schwimmen. Außerdem schwelgen wir gern in Erinnerungen über die vergangenen Monate. Schweden ist ein tolles Land und wir sind hier in einer wunderschönen Gegend gelandet.