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Was bleibt

Uni-Unterlagen einreichen, die Oma besuchen, auf dem Markt einkaufen - der Alltag hat mich wieder. Die Reise ist seit mittlerweile 2 Monaten beendet und ich habe mich wieder bei meiner Familie eingelebt, bevor ich dann für das weitere Studium wieder umziehe. Sehr oft denke ich an einzelne witzige, schöne oder herausfordernde Situationen auf der Reise zurück. Körperlich habe ich mich während dieser Zeit fitter und gesünder denn je gefühlt. Emotional war es immer wieder gemischt, vor allem dominierte aber am Ende das Gefühl der Dankbarkeit und der Motivation, jetzt endlich selbst anzufangen.
Viele kleine Dinge hab ich im Alltag schon umgesetzt. Im Garten meiner Eltern habe ich etwas mitgeholfen, um nicht ganz einzurosten. Eine Riesen-Zucchini von meiner Oma habe ich sauer eingelegt, wie in Österreich vor ziemlich genau einem Jahr. Von jenem Hof werden wir auch bald eine größere Bestellung anfordern, weil die Produkte so einzigartig waren. Ich werde ab Oktober Mitglied einer SoLaWi sein, von der ich dann den Großteil meiner Lebensmittel beziehe. Vielleicht schaffen Arno und ich uns auch einen Kleingarten an, solange wir noch keinen Hof besitzen. Inhaltlich begleiten mich alle Themen sehr stark weiter, denn ich studiere Umweltpädagogik und möchte lernen, wie man kleinen und großen Menschen umweltbewusstes Handeln beibringt. 
Arno und ich haben uns seit 6 Wochen nicht gesehen, da ich für einen Monat in einem Ashram, einer Yoga-Gemeinschaft, gelebt habe. Dort habe ich eine Basisausbildung zur Yogalehrerin absolviert. Alleine in einem Zelt, natürlich mit einer Gruppe Gleichgesinnter. Aber das war schon ein krasser Gegensatz zur Zeit der Reise, wo wir immer zusammen waren und ich wenig Zeit nur für mich hatte. In diesen 4 Wochen konnte ich nochmal viel über mich selbst nachdenken und alte Denkmuster aufbrechen. Das war in Kombination mit der Reise sehr effektiv. Aber jetzt freue ich mich endlich darauf, meine ganzen Projekte umzusetzen und mir einen eigenen Alltag aufzubauen, auch mit Arno gemeinsam. Zuhause ist es natürlich sehr schön, aber hier habe ich nicht das Umfeld von alternativen Menschen, Veranstaltungen und Möglichkeiten des Engagements, das ich sonst gewohnt bin. Dadurch fühle ich mich etwas unproduktiv. Man muss eben auch lernen, gezielt mal solche Auszeiten zu genießen. Ich freue mich sehr, dass meine Familie die gesamte Reise über so ein großes Interesse an unseren Aktivitäten gezeigt und uns immer zu 100% unterstützt hat.

Was haben wir nun auf der Reise gelernt, wo hat es uns am Besten gefallen? Diese Fragen wurden mir in letzter Zeit häufig gestellt.

Die wohl wichtigste Erkenntnis war für mich: Selbstversorgung funktioniert. Es ist möglich, autarker zu leben als die meisten. Man kann mit sehr wenig Geld auskommen und sich freier fühlen. Das ist keine Utopie, die nur wenigen kinder- und familienlosen Menschen vorbehalten ist. Und man lebt dadurch auch nicht automatisch auf Kosten Anderer, denn man kann sich selbst eine finanzielle Unabhängigkeit schaffen. Das wollte ich alles durch die Reise herausfinden und das hat super geklappt. Man darf nicht den Anspruch haben, komplett ohne die Hilfe Anderer auszukommen, denn Selbstversorgung bedeutet auch Austausch und Zusammenarbeit. Dogmatisch sein bringt einen nicht weiter, aber Konsequenz ist schon wichtig. Oft wird man auf soziale "Probleme" stoßen, etwa wenn Nachbarn oder Familie nicht verstehen, was man da tut. Davon sollte man sich aber nicht beirren lassen und weiterhin das verfolgen, was einen selbst glücklich macht.

Große Tiere halten ist sehr schwierig und nicht wirklich notwendig, den Fokus würde ich aufs Gärtnern legen und meine Ernährung entsprechend anpassen, sodass tierische Nahrungsmittel kein Hauptbestandteil sind, sondern eher ein Zusatz. Im Winter gilt es, kreativ zu sein. Planung ist sehr viel wert, um das ganze Jahr gut zu überstehen. Die Natur zu beobachten und die Beobachtungen schriftlich festzuhalten, ist ebenfalls essenziell für erfolgreiches Gärtnern (und nebenbei auch sehr gesund für die Psyche).

Die Themen Energieversorgung und Bauen waren auf der Reise eher im Hintergrund, aber dafür gibt es auch Projekte in Deutschland, die man sich ansehen kann. Da hängt auch viel von der jeweiligen Immobilie und Lage ab.

Natürlich gab es auch Dinge, die wir nicht lernen konnten, wie Imkern oder Käseherstellung. Eine Zeitlang hat mich das etwas geärgert, aber in nicht einmal einem Jahr kann man eben nicht alles sehen und tiefgründig erfassen. Dafür hat die Gesamtauswahl unserer Höfe wirklich gepasst und überall war es anders schön. Es gab die verschiedensten Menschen kennenzulernen, Lebensgeschichten anzuhören und Arbeiten zu erledigen. Da haben wir schon ein sehr breites Spektrum erleben können. Natürlich haben wir in unserer Freizeit auch tolle Landschaften und Städte gesehen. Am meisten in Erinnerung geblieben ist mir hier unsere gesamte Zeit auf den britischen Inseln, einschließlich der Woche in London.

Was mich persönlich am meisten vorangebracht hat, war die "do it yourself" - Mentalität vieler Hofbesitzer. Ich habe handwerklich unheimlich viel gelernt und dadurch ein ganz neues Selbstbewusstsein bekommen. Früher dachte ich immer, ich kann einfach nichts zusammenbauen oder selbst reparieren. Dafür gibt es Fachmänner oder den Papa. Jetzt weiß ich, dass man diese zwar immer konsultieren kann, aber dass es eben auch sehr einfach ist, vieles selbst zu reparieren und kreativ zu sein. Ich meine, immerhin haben Arno und ich eine Couch aus einer Rücksitzbank gebaut! Und vor der Reise hatte ich, peinlicherweise, noch nie einen Akkuschrauber benutzt. Leider glauben viele Menschen, vor allem Frauen nach meiner Erfahrung, da nicht an sich und ihre Fähigkeiten. Man wird aber nicht handwerklich unbegabt geboren, sondern jeder Mensch kann das lernen. Man braucht nur ein gewisses Interesse und die Motivation, etwas unabhängiger sein zu wollen. Für die erworbenen Fähigkeiten und Inspirationen bin ich sehr dankbar. Vor allem der Solartrockner wird auf jeden Fall irgendwann mal von uns nachgebaut!

Wie schon in vielen Blogeinträgen erwähnt, kann ich nur noch einmal betonen, wie deutlich ich in den vergangenen Monaten gesehen habe, was wirklich wichtig ist, um glücklich zu sein. Man hat es geschafft im Leben, wenn man 1-2 Autos, Kinder, ein Reihenhaus, einen Hund und einen sicheren Bürojob hat? Daran habe ich noch nie wirklich geglaubt, bzw. es hat sich einfach nicht richtig für mich angefühlt. Es geht um ganz andere Dinge, und jetzt habe ich viele Menschen kennengelernt, die das genauso leben. Unabhängigkeit, Freiheit, etwas sinnvolles zu tun, sich zu engagieren, miteinander statt im Konkurrenzdenken zu leben und einfach herauszufinden, was man selbst wirklich möchte. Unabhängig davon, ob Andere darüber komische Bemerkungen machen. Sich freizumachen von Werbeversprechen, Rollenbildern, Erwartungen, und stattdessen freiwillig zu geben, was man wirklich sinnvoll einbringen kann und mit Anderen zu teilen. Das habe ich auf der Reise gelernt und das ist unbezahlbar.

 

Ob wir das mal wieder machen?
Vielleicht, aber bestimmt nicht so bald. Wir sind beide hochmotiviert, erstmal selbst Ideen umzusetzen. Außerdem ist das Konzept der Freiwilligenarbeit auf Dauer auch etwas schwierig, wenn man nicht ausgenutzt werden will. Es gibt einen neuen Lebensabschnitt, der jetzt auf uns wartet und den wir auch sehr genießen werden. Ab und zu macht es aber sicher Sinn, mal wieder rauszukommen und eine andere Sicht auf die Dinge zu bekommen.

Wir möchten uns bei allen Lesern und Leserinnen des Blogs bedanken. Ihr wart immer sehr enthusiastisch und habt uns motiviert, schöne Bilder und Texte hochzuladen! Und natürlich sind wir unseren Gastfamilien zu tiefstem Dank verpflichtet. Wir denken oft an euch und sind so glücklich über die gemeinsame Zeit. Alles Gute für eure Projekte!

 

In diesem Sinne:

"Einen Garten anzulegen, bedeutet, an Morgen zu glauben."

 

Laura